„…Für viele von uns war Kunst ein Vorwand, nicht so früh aufstehen zu müssen und keinen Chef …

zu haben. Ich zumindest musste aber immer gegen das nagende Gefühl anarbeiten, nichts gebacken zu kriegen. …(Robinson Freitag/OzEOzelOt) “ aus Rex Feuchti, von Margarethe Grimma, Verlag das Beben.
Plot: Im Vorwort gibt die Autorin M. Grimma zu Protokoll, dass sie von der Enthauptung des Pornorappers Rex Feuchti in der Hannoveraner Fußgängerzone enorm schockiert war. Aber nicht nur die kaltblütige Tat an sich entrüstete ihr gerechtigkeitsliebendes Schriftstellerherz, viele Fragen warf auch die Mörderin, die bis dato sympathische Supertalent- Gewinnerin, Xenia Hammerstein auf, die sich mit ihrem Song: Meine Liebe in die Herzen ihrer Fans sang.
Bevor am Ende enthüllt wird, was das Mädchen dazu trieb, den Rapper mit einem Samuraischwert gekonnt zu enthaupten, beginnt Frau Grimma mit einer Testamentseröffnung, zu der die indignierte Schriftstellerin, Eigenauskunft: erfolglose Schwerintellektuelle, geladen ist. Als der Notar ihr eröffnet, dass sie von Rex Feuchti auserkoren wurde, dass Archiv des Pornorappers zu sichten und nach ihrem Gusto Texte, Lieder, was immer zu veröffentlichen, da ist sie baff. Und es kommt noch besser: Dafür gibt es Geld – und nicht zu knapp.
Es wird metafiktional. Beim Sichten des Nachlasses fällt der Autorin auf: „ … keiner der Artikel war jemals in einer Zeitung erschienen, keiner der Ausschnitte je im Fernsehen gelaufen, nicht ein einziges Dokument je an der bezeichneten Stelle im Internet veröffentlicht …“ Da drängt sich nicht nur der Autorin die Frage auf: Wer war Rex Feuchti? Auf dem Grund seiner Seele auch ein Schwerintellektueller, vielleicht von hegelianischem Zuschnitt? Und welche Art von Zeitdokument wollte der Rapper, dessen Werk auf Stahlrute Records veröffentlicht wurde, schaffen?
Gleich darauf gibt Frau Grimma bekannt, dass sie noch nie etwas geschrieben hat; die kurze Irritation nutzt sie, um sehr profund über Kindergärten, die Kleinen und deren Eltern zu plaudern und darüber, dass der ultimative Kindergartenroman bedenklich lange auf sich warten lässt, womit sie recht hat. Auf einen Schreibkurs übertragen hieße dieser Stil superunzuverlässige Erzählerin oder Münchhausen ist endlich wieder da.
In der Form ist Rex Feuchti eine bunte Mischung aus Zeitungsartikeln, Geschichten, Essays, Kolummen, Märchen, Leserbriefen, Aufsätzen und deren Beurteilungen von vermeintlich wohlmeinenden Lehrkräften, Blogeinträge, Behandlungsprotokolle und mehr mischt sich kasperlebunt. Die Gliederung erfolgt durch die Lyrik des Pornorappers.
Zusammengehalten wird alles von der Frage: Wer war Xenia Hammerstein? Was trieb die junge Frau aus kleinsten Verhältnissen, die emsig an sich arbeitete, um zu einem strahlenden Star zu werden, der nicht nur die Kinder in der Hans-Clarin-Klinik verzückte, zu diesem verrückten Mord in der Fußgängerzone?
Diese Frage zog mich durch das Buch, die Antwort gibt es ganz vorbildlich am Ende, davor geht es vorbei an Figuren, die es sich kennenzulernen lohnt: wie Herrn Freudenhammer, Klangkünstler, Magda und Ivor, Punks, oder Rita Eberskrafft, Herrin über Balzgesänge im Vogelpark Walsrode – ich habe lediglich die Sache mit dem Mann, aus dem der weiße Wurm kam – nicht so gern gelesen. Was Geschmackssache ist, aber es gibt einen Punkt, an dem ich Stopp rufe.
Ich hatte meinen Spaß an dem genauen Hören, mir gefielen die Albernheiten, die sich unvermittelt als Ernst entpuppten, ich mochte die Enttarnung von einheitsgeföhnten Wortbrei aus jeglicher Richtung. Am meisten aber mochte ich die Sprache, wie so nebenher geplaudert, stets abschweifend, abstrus vom hundertsten ins tausendste gehend und dabei immer wieder unglaublich klare Parallelen ziehend. Es war sehr vergnüglich – für preiswerte 3,49 Euro!
Fazit: Sehr viel Spaß. Freude – hatte ich auch sehr, besonders an den Figuren. Vergnügen – ***** 5 Sterne für die Tatsache, wie weit die Autorin bereit ist, zu gehen, in dem Erfinden von Biografien, in dem Gestalten eines Textes, das ist erstaunlich – und schön.
Über die Autorin: Es ist der erste längere Prosatext von Margarethe Grimma, Jg. 1984, die Hunde, helles Licht und Stephen King mag. Ich hoffe, es mögen noch viele weitere folgen